In Zeiten von COVID-19 müssen auch die Teams von IRC Deutschland ihre Programme anpassen. Wie das funktioniert, erzählt uns Muaaz Alfawal. Er ist Familienhelfer, Berater für Geflüchtete und einer der Mentoren eines Gemeinschaftsprojekts* von IRC sowie dem Sport- und Kulturclub Salam e.V.  Dort leitet Muaaz eine Gesprächsgruppe für junge geflüchtete Männer in Berlin. Er redet mit ihnen in Arabisch, ihrer Muttersprache. Seit ein paar Wochen macht er das nun per Videocall. 

Bildschirmaufnahme eines Interview mit Muaaz Alfawal, Mentor einer IRC-Gesprächsgruppe für geflüchtete Männer
Muaaz Alfawal, Mentor einer Gesprächsgruppe für geflüchtete Männer in Berlin, sprach mit IRC-Mitarbeiterin Lydia Ciesluk über seine Arbeit in Zeiten von COVID-19.

Worum geht es bei SlaLoM?

SlaLoM ist ein Projekt für junge geflüchtete Männer zwischen 18 und 30 Jahren, die sich mit anderen Männern über das Leben in Deutschland austauschen wollen. Gemeinsam mit einem Mentor diskutieren die Teilnehmer Themen, die ihnen wichtig sind: Identität, Gleichberechtigung, das Rollenverständnis von Männern und Frauen in Deutschland, Stressbewältigung und Diskriminierung.

Worum geht es den Männern bei den Gesprächen?

Die Männer stehen hier in Deutschland unter einem größeren Druck als in ihren Heimatländern. Die Erwartungen ihrer Angehörigen sind hoch. Die jungen Männer sollen Geld verdienen, sich um die Familie kümmern. Dafür müssen sie die Sprache lernen und in einem neuen kulturellen Kontext arbeiten. Bei den Treffen erfahren die Teilnehmer, dass sie mit diesen Problemen nicht alleine sind. Ideen und Lösungsvorschläge werden ausgetauscht. Das hilft vielen von ihnen.

Welche Herausforderungen gibt es denn?

Die Sprache – das ist wohl die größte Herausforderung. Aber es wird auch über Probleme bei der Arbeit oder zu Hause gesprochen. In Deutschland gibt es andere Erwartungen an sie. Sie sollen hier nicht nur arbeiten gehen, sondern sich auch um die Kinder kümmern. Das stresst sie. Sie wollen wissen, wie sie damit umgehen können. Die Gespräche sind dabei offen. Es darf über alles geredet werden, auch Politik und Religion.

IRC-Kursleiter Muaaz Alfawal
Muaaz Alfawal aus Damaskus lebt seit 2015 in Berlin, wo er soziale Arbeit studiert und als Berater für Geflüchtete arbeitet.

Wie bringst du die Teilnehmer dazu, sich zu öffnen?

Es braucht Zeit und Geduld. Das erste Treffen fand in lockerer Atmosphäre statt. Inzwischen haben die Teilnehmer Vertrauen aufgebaut, so dass sich jeder offen zu allen Themen äußert.

Mein Training bei IRC war zwar auf Deutsch, die Gesprächsgruppen finden aber auf Arabisch statt. Das macht es den Teilnehmern einfacher, sich unbefangen auszudrücken. Ich versuche dann aber auch, sie zu motivieren, die Sprache zu lernen. Ich rate ihnen, erst einmal nur an den nächsten Schritt zu denken. Deutsch lernt man nicht in zwei bis drei Monaten. Aber wenn sie es ein Jahr lang intensiv tun, werden sie große Fortschritte machen.

Wie organisiert ihr eure Treffen jetzt während der COVID-19-Pandemie?

Zunächst konnten wir uns nicht treffen. Ich war selber an COVID-19 erkrankt, hatte Kopfschmerzen und Fieber und fühlte mich schlapp – zum Glück aber nur für ein paar Tage. Salam e.V. haben die Online-Treffen vorgeschlagen. Das fanden ich und die Teilnehmer gut. Zum Glück hatten wir uns früher schon persönlich kennengelernt. 

Familiäre Probleme lassen sich zwar nicht so gut von zu Hause neben dem Partner diskutieren. Manchmal gibt es aber lustige Situationen, wenn wir über die Frauenrolle sprechen und einer sagt ‚Wartet mal, ich muss kurz raus aus dem Zimmer.‘

Was war dein Lieblingsmoment in einer Videokonferenz?

Letzten Sonntag hat einer während unseres Gesprächs in der Küche gebacken. Dabei hat er mit uns diskutiert und gezeigt, was er gerade macht. Er meinte: ‚Ich backe jetzt mit meiner Frau, die COVID-19-Pandemie hat mich verändert‘.

Was hat dich an der Rolle als Mentor interessiert?

Zunächst einmal bin ich selbst ein Geflüchteter. Ursprünglich komme ich aus Damaskus. Als die Situation in Syrien immer gefährlicher wurde, riet mir ein Freund, nach Malaysia zu kommen. Dort arbeiteten wir zwei Jahre als Köche in einem syrischen Restaurant. Da ich an der Universität in Damaskus vier Semester lang Germanistik studiert hatte, zog ich dann vor fünf Jahren nach Berlin. Trotzdem musste ich hier noch weiter lernen – fast ein Jahr bis ich richtig gut wurde.

Auch was ein*e Sozialarbeiter*in ist, war mir bei meiner Ankunft in Deutschland ein Rätsel. Dann habe ich hier Menschen kennengelernt, die in diesem Bereich Großartiges leisten. Inzwischen studiere ich selbst Sozialarbeit an der FH Potsdam. Mein Schwerpunkt ist Integration. Da möchte ich weiterarbeiten.

*Das Projekt SlaLoM (Selbstbewusst.Leben.Miteinander) wird vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) gefördert.