Die UN hat angekündigt, dass in Somalia eine Hungersnot bevorsteht. IRC warnt, dass Millionen von Menschenleben auf dem Spiel stehen, wenn die führenden Politiker*innen der Welt nicht sofort und dringend dafür sorgen, dass die zugesagten Mittel die direkt vor Ort arbeitenden Partner und Organisationen erreichen. Tausende von Menschen haben bereits ihr Leben verloren und weitere Millionen stehen in Ostafrika auf dem Spiel, wo vier Jahreszeiten mit unzureichenden Regenfällen die Lebensgrundlage und den Zugang zu Nahrungsmitteln für über 36 Millionen Menschen zerstört haben.

David Miliband, Präsident und CEO von International Rescue Committee, sagt: 

,,Diese Ankündigung ist ebenso verheerend wie vorhersehbar. Hilfsorganisationen, darunter auch IRC, warnen schon seit Monaten vor einer Hungersnot. Die Bezeichnung ‘Hungersnot’ bedeutet, dass die Menschen bereits sterben: Die Katastrophe ist schon eingetreten. Wir kämpfen jetzt um jedes Menschenleben. Es ist ein Kampf gegen die Uhr, den die internationale Gemeinschaft derzeit verliert. Diese Hungersnot wäre völlig vermeidbar gewesen und steht sinnbildlich für das Systemversagen, auf das wir in unserem Bericht Watchlist 2022 hingewiesen haben: Globale Systeme versagen, wo sie die Schwächsten doch schützen sollen. 

Wir wissen bereits, dass ein noch nie dagewesener fünfter und sechster ausbleibender Regen vorhergesagt sind. Wir wissen auch, was das bedeutet: die Menschen werden bis ins nächste Jahr hinein hungern, was sich auf ihre Gesundheit und ihre Leben Monate, wenn nicht Jahre auswirken wird. Es liegt nun an den Staats- und Regierungschef*innen der Welt dringend etwas zu unternehmen, um nicht weitere Menschenleben zu verlieren. Die zugesagten Mittel müssen rasch an die Durchführungspartner vor Ort weitergeleitet und die Direktfinanzierung für NGOs aufgestockt werden."

Ralph Achenbach, Geschäftsführer IRC Deutschland, ergänzt: 

,,Die heutige Kriegsführung ist dadurch gekennzeichnet, dass Konfliktparteien den Zugang zu Hilfsgütern verweigern. Der Zugang zu Hilfe und der Schutz der Zivilbevölkerung sind Grundpfeiler der regelbasierten internationalen Ordnung. Die fehlende politische Reaktion auf diese Trends zeigt ein globales Systemversagen. Die rechtlichen Mechanismen, die Zivilist*innen schützen sollen, versagen.Das ist in Somalia nicht anders, wo der Zugang für humanitäre Helfer*innen unglaublich schwierig ist. Diese Schwierigkeiten werden noch dadurch verschärft, dass es den humanitären Hilfsorganisationen an finanziellen Mitteln fehlt, um effektiv arbeiten zu können.

Weniger als die Hälfte der Hilfsmittel, die die Geberländer 2011 für die humanitäre Hilfe in Somalia zugesagt hatten, wurde tatsächlich finanziert. Der Tod vieler der 250.000 Menschen in Somalia 2011 wäre vermeidbar gewesen. Der humanitäre Hilfsplan 2022 für die Ernährungssicherheit in Somalia ist derzeit nur zu 20 Prozent finanziert. Das geschieht in einer Zeit, in der die zunehmenden Auswirkungen des Klimawandels die Lebensgrundlagen zerstört haben und die Krise in der Ukraine die Kosten für Nahrungsmittel und den für ihre Lieferung benötigten Treibstoff in die Höhe getrieben hat. Das Ergebnis:  230.000 Somalier*innen leiden Hunger - was vermeidbar gewesen wäre. 

Eine Hungersnot wird ausgerufen, wenn bestimmte Kriterien zutreffen. Beispielsweise wenn mindestens 30% aller Kinder im Land akut unterernährt sind. Wenn eine Hungersnot ausgerufen wird, sterben Kinder bereits. Hunderttausende sind auf der Suche nach Nahrungsmitteln und Wasser, viele überleben dies nicht. Familien müssen ihre Häuser und Dörfer verlassen, um anderswo Hilfe zu finden. Diese Hungersnot beeinträchtigt künftige Generationen, schürt Gewalt und Unsicherheit und gefährdet die Gesellschaft.

IRC fordert eine dringende Aufstockung und Flexibilisierung der bestehenden Mittel sowie langfristige, groß angelegte Investitionen in lokale, geschlechts- und klimasensible sowie diversifizierte Nahrungsmittelproduktion und Saatgutsysteme. Die Weltgemeinschaft muss sektorübergreifende Ansätze verfolgen sowie die angemessenen Finanzmittel für humanitäre Programme bereitstellen, um den Bedarf besser zu decken und Versorgungslücken zu schließen. Auch Bargeldhilfen und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt müssen ausgebaut werden. Nur so kann eine Hungerkatastrophe, wie wir sie zuletzt im Jahr 2011 erlebt haben, abgewendet werden. Die Lage ist katastrophal, aber es ist noch nicht zu spät. Um Leben zu retten, müssen wir jedoch jetzt handeln.”

Während der Hungersnot 2011 in Somalia starben über 260.000 Menschen. Die Hälfte davon waren Kinder unter fünf Jahren. Kinder mit schwerer Unterernährung sind dünn, schwach und lethargisch. Sie haben fast ständig Durchfall. Ihre Muskeln verkümmern, während alle anderen lebenswichtigen Systeme des Körpers ausfallen. Ihre Wahrscheinlichkeit zu sterben ist zehnmal höher. Zusätzlich zu den körperlichen Symptomen ziehen sich Kinder auch emotional zurück und verlieren den Bezug zu ihrer Umwelt. Längerfristig kann die Unterernährung zu einer schwachen Immunität gegen schwere Infektionen, einem verkümmerten Wachstum und einer eingeschränkten Lernfähigkeit führen. Es ist eine moralische Verantwortung zu verhindern, dass Hunderttausende von Kindern sterben und eine ganze Generation lebenslange Schäden davonträgt.

IRC in Ostafrika

Ostafrika beherbergt einige der am längsten laufenden Programme von IRC weltweit, mit Einsätzen in Somalia seit über 40 Jahren, in Kenia seit drei Jahrzehnten und in Äthiopien seit 20 Jahren. Heute stocken mehr als 2.000 IRC-Mitarbeitende in der Region unsere Programme auf, um der Dürre und Ernährungsunsicherheit zu begegnen. Wir weiten unsere Arbeit auch auf neue Gebiete aus, um den akuten Bedarf zu decken. Einsatzbereiche von IRC sind der Zugang zu Nahrungsmitteln, Wasser und sanitären Einrichtungen sowie Bargeld- und Schutzleistungen.