Anlässlich des G20-Treffens in Saudi-Arabien fordert International Rescue Committee (IRC) die Staats- und Regierungschefs der Welt auf, den humanitären Hilfsplan für Jemen besser zu unterstützen. Schon erfolgte Finanzierungszusagen müssen erfüllt, das wirtschaftliche Wiederaufbaupaket unterstützt werden. Darüber hinaus fordert IRC die internationale Gemeinschaft auf, alle diplomatischen Druckmittel zu nutzen, darunter auch die Aussetzung von Rüstungsexporten, um einen landesweiten Waffenstillstand zu erreichen und die Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen. Der Konflikt in Jemen kann nur politisch gelöst werden.

Die Lage in Jemen ist inzwischen besonders ernst: Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sind auf humanitäre Hilfe angewiesen. Ihnen droht eine Hungersnot. In Jemen werden 90 Prozent der Nahrungsmittel importiert. Inzwischen steht das Land jedoch vor dem wirtschaftlichen Kollaps: Aufgrund der COVID-19-Pandemie können Lieferketten nur eingeschränkt genutzt werden. Dadurch sind die Nahrungsmittelpreise stark in die Höhe getrieben worden, während der Wert der jemenitischen Rials um weitere 25 Prozent gesunken ist.

Aufgrund unzureichender Finanzierung mussten wichtige humanitäre Hilfsprogramme bereits gestoppt werden. Der von den Vereinten Nationen aufgestellte Hilfsplan wurde bislang nur bis zu 48 Prozent finanziert. Die Folge: Bis Ende 2020 können nicht mehr alle Menschen, die Unterstützung brauchen, mit humanitärer Hilfe versorgt werden – im Vergleich zum Jahresbeginn bleiben pro Monat rund 4 Millionen Menschen ohne internationale Hilfe. Das ist ein Rückgang von 30 Prozent.

Darüber hinaus fordert IRC alle einflussreichen Staaten – insbesondere die USA, Deutschland, Großbritannien und Frankreich – dazu auf, sämtliche Waffenexporte an die von Saudi-Arabien geführte Koalition auszusetzen. In der ersten Hälfte des Jahres 2020 haben sich die von den Saudis geführten Luftangriffe im Vergleich zu den vorangegangenen sechs Monaten mehr als verdoppelt.

Tamuna Sabadze, IRC-Landesdirektorin für Jemen, erklärt:

„Tag für Tag werden die Menschen in Jemen in eine stetig kritischer werdende Lage gedrängt. Jeder Tag, an dem wir unsere humanitären Verpflichtungen nicht erfüllen, treibt Millionen von Menschen weiter in eine Hungersnot. Es ist alarmierend: Die Unterernährung bei Kindern ist im Oktober so hoch wie nie zuvor gewesen. Und nur 50 Prozent der Krankenhäuser und Kliniken sind in Jemen in Betrieb. Ein landesweiter Waffenstillstand ist dringend erforderlich, damit die humanitären Hilfsorganisationen die Bedürftigsten erreichen können.“

„Jemen muss während des G20-Gipfels in Saudi-Arabien ganz oben auf der Tagesordnung stehen: Es ist die schlimmste humanitäre Krise der Welt. Und sie wird noch schlimmer – der wirtschaftliche Zusammenbruch und der anhaltende gewaltsame Konflikt, an dem Saudi-Arabien beteiligt ist, stürzen immer mehr Zivilisten in Hunger und Verzweiflung.“

IRC ist seit 2012 in Jemen tätig. Seit 2015 wurden die Programme erweitert, um den durch den Konflikt verursachten größeren humanitären Bedarf zu decken. Während der andauernde Konflikt, die COVID-19-Pandemie und die Beschränkung von Luft- und Seehäfen die Arbeit logistisch vor große Herausforderungen stellen, hat IRC den Zugang zu den betroffenen Bevölkerungsgruppen aufrechterhalten können und bietet weiterhin – unter anderem mit Förderung durch das Auswärtige Amt – lebensrettende medizinische Versorgung, wirtschaftliche Stärkung, Schutz und Stärkung von Frauen sowie Bildungsprogramme an.