• Datenvergleich legt nahe: Übertragungsrisiko des Coronavirus in Flüchtlingslagern wahrscheinlich noch größer als auf Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“

Geflüchtete, die in Aufnahmelagern leben, sind einem besonders hohen Risiko ausgesetzt, sich mit dem Coronavirus zu infizieren. Das hat eine gerade veröffentlichte IRC-Analyse ergeben. Untersucht wurde, wie schnell sich das Virus abhängig der jeweiligen Bevölkerungsdichte in einem Flüchtlingslager verbreiten kann.

Grundlage für die Analyse waren Daten des Informationsdienstleisters ACAPS. Dieser hatte festgestellt, dass das Coronavirus auf dem Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ viermal schneller übertragen wurde als in Wuhan, China, während des Höhepunkts des dortigen COVID-19-Ausbruchs.

Ein daraufhin angestellter Vergleich des International Rescue Committee zwischen der Bevölkerungsdichte auf der „Diamond Princess“ (24 Menschen pro Quadratmeter), mit der von verschiedenen Flüchtlingslagern macht deutlich: Die Übertragungsrate von COVID-19 muss die Rate, die wir auf dem Kreuzfahrtschiff beobachten konnten, um einiges übertreffen.

Al Hol, Syrien

68.000 Menschen leben im nordsyrischen Flüchtlingslager Al Hol auf nur 1,81 Quadratkilometern. Einer Person stehen damit 27 Quadratmeter zur Verfügung (so groß wie zwei Auto-Tiefgaragenstellplätze, die einem Menschen zum Leben, kochen, schlafen, waschen etc. ausreichen müssen). Darüber hinaus leiden die Bewohner*innen unter teilweise sehr kalten Temperaturen und Überschwemmungen – Zustände, die sie anfälliger für Krankheiten machen und eine COVID-19-Ausbreitung beschleunigen könnten.

Cox's Bazar, Bangladesch

Cox's Bazar – das weltweit größte Flüchtlingslager – beherbergt inzwischen mehr als 855.000 Rohingya-Flüchtlinge, die nur unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung haben und in kleinen, beengten Unterkünften leben müssen. Die Bevölkerungsdichte ist mit 40 Menschen pro Quadratmeter fast zwei Mal so hoch wie auf der „Diamond Princess“. Die Übertragungsrate im gesamten Lager müsste die des Kreuzfahrtschiffs damit erheblich übertreffen.

Moria, Griechenland

Noch dramatischer könnte sich die Lage im Aufnahmezentrum Moria auf der griechischen Insel Lesbos entwickeln. Hier leben etwa 20.000 Geflüchtete, Migrant*innen und Asylbewerber*innen auf einer Fläche, die etwa 6 bis 8 Mal kleiner ist, als die des Kreuzfahrtschiffs: Hier muss ein Mensch mit sechs Quadratmetern auskommen (ein halber Tiefgaragenstellplatz). 1.300 Menschen teilen sich eine Wasserstelle. Wenn das Coronavirus auf die Bewohner*innen von Moria trifft – in ihren Zelten und anderen notdürftig zusammengebauten Unterkünften, ohne adäquate medizinische Versorgung oder ausreichend Sanitäranlagen – wird es sich wohl rasend schnell ausbreiten können.

Dazu Marcus Skinner, leitender politischer Berater des International Rescue Committee:

„Die rasche Verbreitung von COVID-19 auf der ‚Diamond Princess‘ ist eine deutliche Warnung. Sie zeigt, wie rasend schnell sich das Virus auf engem Raum verbreiten kann. Da die Bedingungen unter denen Geflüchtete leben, noch weitaus schlimmer sind als die auf dem Kreuzfahrtschiff, machen sie die Lage auch viel gefährlicher.“

In überfüllten Aufnahmelagern lebende Geflüchtete hätten keinen Zugang zu angemessener Gesundheitsversorgung, Unterkunft, Wasser und sanitären Einrichtungen. Das mache es für diese Menschen viel schwerer, sich vor einer Ansteckung zu schützen.

„Wir brauchen dringend finanzielle Unterstützung, denn nur so können wir den besonders schutzbedürftigen Menschen helfen. Besserer Zugang zu fließendem Wasser für regelmäßiges Händewaschen und die Einrichtung von Isolationsbereichen für diejenigen, die Symptome zeigen, sind entscheidende Schritte um sicherzustellen, dass die Menschen sich selbst besser schützen können. Durch die Neugestaltung und den Bau zusätzlicher Unterkünfte kann die Zahl der Familien, die in kleinen Zelten oder anderen Behausungen zusammengepfercht sind, verringert und Kontaktverzicht durchgesetzt werden“, erklärt Skinner.

Um die weltweite Ausbreitung des Virus einzudämmen, hat IRC bereits wichtige Maßnahmen umgesetzt. So wurden in Bangladesch 18.000 chirurgische Masken für Personal bereitgestellt und an jedem Einsatzort Handwaschstationen installiert. IRC-Teams in Syrien, Griechenland und Bangladesch setzen ihre Programme vor Ort fort und helfen damit den dort lebenden Menschen, sich vor den verheerenden Auswirkungen des Coronavirus zu schützen.