Sieben Nichtregierungsorganisationen haben heute in einer gemeinsamen Erklärung die EU und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, humanitäre Aufnahmeprogrammen von Geflüchteten wiederzubeleben und zu verstärken. Resettlement ist eine der wenigen sicheren und offiziellen Möglichkeiten für schutzbedürftige Menschen, in die EU zu gelangen. Sie ist ein wichtiger Ausdruck der Solidarität, der den Druck auf Aufnahmeländer wie Libanon, Libyen und Uganda mindern kann.

Obwohl die Zahl der Vertriebenen neue Rekordhöhen erreicht, wird die Kluft zwischen dem weltweiten Bedarf und den Resettlementbemühungen der EU größer. Die EU muss ihr Engagement für humanitäre Aufnahme dringend verstärken. Es besteht die Gefahr, dass die Programme einiger Länder sich verzögern oder heruntergefahren werden - eine Folge des Drucks auf die EU-Asylsysteme und der fehlenden langfristigen Planung der Aufnahmekapazitäten.

Die heutige Warnung folgt auf die jüngsten Rückschritte, die vor allem auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind. Die EU hat ihre Zusage zum Resettlement von 30.000 Geflüchteten im Jahr 2020 nicht eingehalten, selbst nachdem sie diese Zusage auf das Jahr 2021 übertragen hatte. Trotz der Aufhebung vieler COVID-bedingter Reisebeschränkungen wurden im vergangenen Jahr nur 15.660 Geflüchtete in zwölf EU-Staaten überführt. Selbst heute haben die meisten humanitären Aufnahmeprogramme noch nicht wieder das Ausmaß von vor der Pandemie erreicht.

Die EU-Mitgliedstaaten haben sich verpflichtet, 20.000 Geflüchtete im Jahr 2022 aufzunehmen, zusätzlich zu 40.000 gefährdeten Afghan*innen zwischen 2021 und 2022. Diese Zusagen wurden jedoch nicht offiziell veröffentlicht. Selbst wenn dies eingehalten würden, wäre dies nur ein winziger Bruchteil des tatsächlichen Anteils der EU an den weltweit mehr als 1,45 Millionen Menschen, die auf eine humanitäre Aufnahmeprogramm angewiesen sind.Seit Beginn 2022 sind nur 4.075 Geflüchtete im Rahmen des Resettlementprogramms in den EU-Ländern angekommen. 

Der weltweite Resettlementbedarf steigt weiter. Die EU muss ihr Engagement deutlich verstärken, aufbauend auf der beispiellosen Solidarität, die als Reaktion auf die Geflüchteten aus der Ukraine gezeigt wurde, und den bereits getätigten Investitionen in die Notfallmaßnahmen.

Die Staaten werden aufgefordert, ab dem 1. Juli 2022 neue Resettlementzusagen für das nächste Jahr zu machen.

IRC ruft die EU und ihre Mitgliedstaaten gemeinsam dazu auf:

  1. Rasche Erfüllung der derzeitigen Zusage, 2022 über 20.000 Geflüchtete im Rahmen des humanitäre Aufnahmeprogramms und fast 40.000 gefährdete Afghan*innen aufzunehmen.
  2. Verpflichtende Zusage, im Jahr 2023 mindestens 40.000 Geflüchtete aufzunehmen.
  3. Verabschiedung des “EU Resettlement Frameworks” (URF), um eine strukturierte, berechenbare und langfristige EU-Politik für humanitäre Aufnahmenzu schaffen.

Die Erklärung wird mitunterzeichnet von: International Rescue Committee, Amnesty International EU, Caritas Europa, European Council on Refugees and Exiles (ECRE), International Catholic Migration Commission (ICMC) Europe / SHARE Network, Churches’ Commission for Migrants in Europe (CCME), and the Red Cross EU Office.

Lesen Sie den vollständigen Bericht hier.

Harlem Désir, Senior Vizepräsident IRC Europa und IRC Deutschland Geschäftsführer, sagt: 

"Die Reaktion der EU auf die mehr als 6 Millionen Geflüchteten aus der Ukraine ist bemerkenswert. Diese große Unterstützung darf jedoch nicht auf Kosten der Geflüchteten gehen, die aus anderen Konfliktgebieten und fragilen Staaten auf der ganzen Welt fliehen.

Die Zahl der weltweit vertriebenen Menschen steigt immer weiter. Die EU-Mitgliedstaaten müssen dringend ihr Engagement für die humanitäre Aufnahme von Geflüchteten bekräftigen. Schon vor dem Ausbruch des Ukrainekonflikts waren fast 1,5 Millionen Geflüchtete auf Resettlement angewiesen - viele von ihnen hingen im Laufe der COVID-19-Pandemie in der Schwebe. Diese Verzögerungen und Unzulänglichkeiten wirken sich nicht nur unmittelbar auf das Leben schutzbedürftiger Menschen aus. Dies übt auch zusätzlichen Druck auf Länder mit niedrigem und mittlerem Einkommen aus, die seit langem die überwiegende Mehrheit der Geflüchteten weltweit aufgenommen haben.

Die EU hat eine große Verantwortung, diesen Trend umzukehren und zu verhindern, dass diese Programme weiter schrumpfen. Perspektivisch ist IRC sogar der Ansicht, dass die EU 250.000 Geflüchtete im Rahmen von Resettlementprogrammen bis Ende 2025 aufnehmen sollte.Das stünde eher im Einklang mit ihrer globalen Verantwortung. 

Die Staats- und Regierungschef*innen der EU müssen bei der bevorstehenden Verpflichtungserklärung zeigen, dass sie mit allen Geflüchteten solidarisch sind, unabhängig von ihrem Herkunftsland. Es ist an der Zeit, die durch die Ukrainekrise ausgelöste Dynamik für den Schutz von Geflüchteten zu nutzen, um das Resettlement in der EU anzukurbeln und diese Programme zukunftsfähig zu machen."