Muyambo Marcel Chishimba ist ein kongolesischer Geflüchteter, der im Rahmen eines Resettlementprogramms von IRC nach New Jersey in den USA kam. Sein Onkel, der bekannte kongolesische Künstler Kabemba Albert Stounas, unterrichtete ihn als kleiner Junge in der Malerei. Drei Jahrzehnte lang arbeitete Chishimba an seiner Kunst, bevor er 1991 aus seinem vom Krieg zerstörten Land fliehen musste – zunächst nach Sambia, dann nach Elizabeth, New Jersey. Mitarbeiter*innen des IRC-Büros für Resettlement in New Jersey verliebten sich sofort in seine „phänomenale“ Arbeit. Mitarbeiter*innen, Unterstützer*innen und die „Refugee Assistance Partners of New Jersey“ verhalfen  Chishimba zu seinem künstlerischen Debüt in seiner neuen Heimat mit einer Ausstellung in der Maplewood Memorial Library. Wir sprachen mit Chishimba, der gerade Englisch lernt, mithilfe eines Übersetzers.  

Sie haben viele Jahre im Kongo gelebt und gearbeitet, bevor Sie nach Sambia geflohen sind.

Ich wurde 1950 in Lubumbashi im Kongo geboren. Wir lebten ein gutes Leben. Bis der Krieg ausbrach und wir zu Geflüchteten wurden. Auf der Flucht hatte ich Angst, wir müssten sterben. Wir sahen wie ein Mensch mit der Machete getötet wurde, ein anderer von einer Kugel. Man gewöhnte sich an den Tod. Es gab nichts Fröhliches. Zuerst töteten sie meine Frau.  

Mit meinen drei Kindern erreichte ich die Grenze. Wir gingen in den Wald. Im Wald lernte ich meine jetzige Frau kennen. Sie war auch vor dem Krieg geflohen. Sie half mir mit den Kindern. Später haben wir dann geheiratet.  

Wir kamen in Sambia an, ein neues Land ohne Krieg. Aber wir lebten im Lager. Es war eine schwere Zeit. Es gab kaum etwas zu essen. Ich habe gezeichnet – und das hat mich am Leben gehalten. 

Sie haben gezeichnet, seit Sie ein Kind waren.  

Ich hatte einen Onkel, der Künstler war. Ich habe ihm oft beim Zeichnen zugesehen. Er gab mir Kunstwerke, die ich verkaufen sollte. Ich war so interessiert daran, seine Arbeiten zu verstehen. Mein Onkel sah mein Interesse und nahm mich mit zu einer Akademie für bildende Kunst.  

In meinem ganzen Leben habe ich nie was anderes gemacht als zu zeichnen. Alle meine Kinder wissen, wie man zeichnet. Ich habe es ihnen beigebracht. Und wenn ich sterbe, werden sie unsere Tradition am Leben erhalten.   

Und Ihre Kunst hat Ihnen während dieser harten Jahre im Lager geholfen.

Als wir in Sambia waren, habe ich ein Bild von Geflüchteten gemalt. Ich habe daran gedacht, wie ich aus meinem Land geflohen bin. Ich wollte unser Leid darstellen. Das Werk beeindruckte die Leute. 

Chishimba malt auf Leinwand.
Chishimbas zieht oft Inspiration aus seinem Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo, aus dem er 1991 fliehen musste.
Foto: Andrew Oberstadt/ IRC

Sie begannen, Ihre Arbeiten zu verkaufen. 

Das stimmt. Sie bekommen vielleicht einen Auftrag für Landschaftsbilder, also malen Sie eine Landschaft. Ein anderes Mal bekommt man einen Auftrag für Tiere, dann malt man Tiere. Die Leute kamen, um ihre Porträts machen zu lassen. Alos habe ich Porträts gemalt, damit ich ein Einkommen hatte. Mein Leben hing von der Malerei ab.  

1985, wenn ich mich richtig erinnere, malte ich ein Bild von einem bestimmten Geschäftsmann. Ich brachte es ihm, und er sagte, es sei nicht er. Ich bestand darauf, dass er es sei, und er behauptete, es sei nicht so. Er brachte das Bild zurück, und als ich dann einen letzten Blick darauf warf, war es wirklich nicht er. Ich habe ihn nicht getroffen.  

Wissen Sie, mit dem Zeichnen ist es so eine Sache: Wenn du zeichnest, werden dich einige Leute kritisieren. Aber wenn sie alle sagen, dass es gut ist, wirst du keine Fortschritte machen. Wenn jemand sagt, meine Arbeit sei schlecht, bin ich glücklich. Und weißt du warum? Weil ich mich selbst ansporne, besser zu werden! Selbst meinen Kindern würde ich sagen, wenn ich ihnen das Malen beibringen würde: „Das ist nicht gut.“

In der Kunst geht es darum, Herausforderungen zu überwinden und den Mut zum Scheitern zu haben?

Wenn es hier Kinder gibt, die sich für die afrikanische Kunst interessieren, will ich ihnen helfen. Ich werde ihnen das Malen beibringen. Wenn sie mich als Geflüchteten sehen, kann ich sie zu ermutigen und ihnen sagen: Schaut euch bitte meine Arbeit an, schaut euch an, wie ich meine Kunst mache. Und das wird auch mir helfen, mich weiter zu entwickeln. In Sambia habe ich früher Kinder in Privatschulen unterrichtet und viele waren besser als ich.  

2014 malte ich ein Porträt vom Präsidenten von Sambia, um meine Dankbarkeit zu zeigen, dass Sambia uns als Geflüchtete aufgenommen hat. Es hat Mut erfordert, es ihm zu geben, aber er liebte es so sehr, dass er es immer noch in seinem Besitz hat. 

Die Malerei hilft uns, uns gegenseitig kennenzulernen. Wie Picasso – die ganze Welt kennt ihn wegen seiner Gemälde. Und Sie und ich, wir treffen uns jetzt wegen der Malerei.  

Ständig sehe ich ein Bild und möchte anfangen zu malen. In Sambia beobachtete ich Frauen beim Wasser holen und begann zu zeichnen. Mit meinem Bleistift mache ich eine Skizze, und das liefert mir die Idee für ein Kunstwerk.  

Was würden Sie jemandem sagen, der nicht weiß, was er über das Resettlement von Geflüchteten denken soll?  

Wissen Sie, warum es gut ist, hier ein Geflüchteter zu sein? Hier, wie in Afrika, gibt es gemischte Völker, es gibt Mexikaner, Polen und andere. Die USA sind ein Ort, der alle Völker aufnimmt. Es diskriminiert nicht aufgrund des Stammes. Ob man nun Afrikaner, Rumäne oder wer auch immer ist, die Amerikaner heißen jeden willkommen.  

Und die Zukunft ... was sehen Sie für sich und Ihre Familie?  

Ich weiß, wie man es auf Kiswahili sagt, aber auf Englisch ist es schwierig. In Kiswahili sagen wir: „Kutangulia siyo kufika". Das heißt: „Voranzukommen heißt nicht anzukommen.“ Ich versuche, es zu erklären, aber vielleicht verstehen Sie es nicht. Wenn Sie anfangen, ein Porträt zu zeichnen, werden Sie es nicht an einem Tag fertigstellen. Es wird viel Zeit in Anspruch nehmen, vielleicht sogar Monate oder ein Jahr. Zeichnen Sie. Skizzieren Sie. Betrachten Sie die Skizze. Malen Sie. Lassen Sie es. Arbeiten Sie an etwas anderem. Nach drei Monaten zum ersten Mal zurückkehren, retuschieren. Lassen Sie es trocknen. Überarbeiten Sie es.   

„Voranzukommen heißt nicht anzukommen.“ Ich hätte nie gedacht, dass ich nach Amerika komme. Viele Geflüchtete sind im Laufe der Jahre hierher gekommen. Sie sind vorausgegangen ... und ich bin nachgekommen.  

Weltflüchtlingstag 2021 

Es erfordert großen Mut, neu anzufangen – in der Ungewissheit, was die Zukunft bringen wird. An diesem Weltflüchtlingstag feiern wir den Mut von Künstler*innen, die in einer neuen Heimat neu anfangen mussten und nun ihre Kreativität nutzen, um zu verbinden, zu heilen und zusammenzubringen. Sie inspirieren uns! Mehr unter Rescue-DE.org/Mut