Während eine zweite COVID-19-Welle den Nordwesten Syriens trifft, gehen die Vorräte an Testkits und Sauerstoff langsam zur Neige. Die täglichen Fallzahlen erreichen Rekordhöhen, gleichzeitig nehmen die Luftangriffe zu. International Rescue Committee (IRC) ruft dringend dazu auf, den Waffenstillstand einzuhalten, die Zivilbevölkerung zu schützen und den Mangel an COVID-19-Medikamenten dringend zu beheben. 

Seit dem 1. August 2021 hat sich die Gesamtzahl der COVID-Fälle in Nordwestsyrien mehr als verdoppelt. Die Zahl der täglichen Fälle hat sich verzehnfacht und erreichte am 6. September 2021 einen Höchststand von 1.554. Dennoch gibt es im Nordwesten Syriens nur noch einen zweiwöchigen Vorrat an Testkits. Die nächste Lieferung wird frühestens in einem Monat erwartet. Auch die Sauerstoffvorräte erreichen einen kritischen Tiefstand. Heute sind 13 Millionen Menschen in Syrien auf humanitäre Hilfe angewiesen – ein Anstieg um 30 Prozent seit 2014 und ein Anstieg um zwei Millionen allein seit dem letzten Jahr.

Wenn die Testkapazitäten nicht erhöht werden, kann das Gesundheitspersonal die Ausbreitung der Krankheit nur noch stark beeinträchtigt kontrollieren. Nach einem Jahrzehnt des Konflikts und der Zerstörung stand das Gesundheitssystem schon vor dem Ausbruch der Pandemie kurz vor dem Zusammenbruch. Jetzt wird die Belastung noch deutlicher: In den letzten zwei Wochen schwankte die tägliche Zahl positiver Tests zwischen 42 und 58 Prozent – in einigen Bezirken lag sie sogar bei 70 Prozent. 118 Menschen sind in den letzten zwei Wochen an COVID-19 gestorben. Die Intensivstationen sind zu 85 Prozent ausgelastet.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Luftangriffe im Nordwesten Syriens in den letzten drei Monaten deutlich zugenommen haben. Dies führte zu zahlreichen Todesopfern und Verletzten sowie zu Einschränkungen, wie humanitäre Hilfe bereit steht. In der vergangenen Woche musste IRC seine Arbeit aufgrund der Kämpfe dreimal unterbrechen. IRC ist besorgt, dass eine erhebliche Zunahme der Kämpfe und der Vertreibung der Bevölkerung diese zweite Welle noch tödlicher machen könnte als die erste.
 
Tanya Evans, Landesdirektorin Syrien, International Rescue Committee:
„In den letzten Monaten ist die Zahl der COVID-19-Fälle im Nordwesten Syriens rapide angestiegen. In dieser aktuellen Welle werden täglich mehr Fälle bestätigt als je zuvor. Die Gesamtzahl der aktiven Fälle liegt jetzt bei über 25.000, was fast der Gesamtzahl entspricht, die im Nordwesten Syriens im gesamten vergangenen Jahr festgestellt wurde. 

Die internationale Gemeinschaft muss jetzt die Lehren aus der ersten Welle ziehen und sicherstellen, dass die Menschen in Nordwestsyrien nicht erneut denselben miserablen Bedingungen ausgesetzt sind. Es werden dringend mehr Testkits und mehr Sauerstoff benötigt, um den derzeitigen Mangel zu beheben. COVID-19-Maßnahmen und humanitäre Hilfe insgesamt müssen angemessen finanziert werden. Das Land kämpft gegen die Pandemie, die wirtschaftliche Lage verschlechtert sich, Familien leiden: die internationale Gemeinschaft muss jetzt aktiv werden und ihre Unterstützung zeigen. Das Leben der Menschen hängt davon ab.“

IRC leistet seit 2012 Hilfe in Syrien. Im vergangenen Jahr haben IRC und seine Partner über 900.000 Menschen in dem Land in den Bereichen Gesundheit, Schutz, Existenzsicherung und frühkindliche Entwicklung unterstützt.