Zugangsbeschränkungen und die Verweigerung von humanitärer Hilfe verschlimmern den Bedarf und erhöhen die Kosten für die Bereitstellung von Hilfsgütern erheblich. Gleichzeitig führt der Krieg in der Ukraine zu einem Rekordniveau an humanitärer Not und Ernährungsunsicherheit in Gebieten wie dem Horn von Afrika und Jemen. Mehr als 200 Millionen Menschen leben in Konfliktgebieten, in denen der Zugang zu humanitärer Hilfe als "sehr schwierig" oder "extrem eingeschränkt" eingestuft wird. Dies ist zum Kennzeichen der heutigen Kriegsführung geworden.

Der Zugang zu Hilfe und der Schutz der Zivilbevölkerung sind Grundpfeiler der regelbasierten internationalen Ordnung. Dennoch fehlt es an Rechenschaftspflicht für diese Angriffe.

Der G7-Gipfel 2022 bietet den Staats- und Regierungschef*innen die Gelegenheit, konkrete Zusagen zur Verbesserung humanitärer Zugänge zu machen und ihre Unterstützung für Mechanismen zu bekräftigen, die die Rechenschaftspflicht bei Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht sicherstellen sollen. Die öffentliche Unterstützung für mutige außenpolitische Maßnahmen ist so hoch wie selten zuvor. Die G7-Staaten müssen sicherstellen, dass das Jahr 2022 eine "Zeitenwende" in den Bemühungen um den Schutz von Zivilist*innen in Konflikten und die Unterstützung beim Zugang zu der von ihnen benötigten Hilfe in Konfliktgebieten auf der ganzen Welt markiert.

Deutschland als G7-Gastgeber und starker Verfechter der multilateralen, regelbasierten Ordnung sollte sich dafür einsetzen, die Verpflichtung zum humanitären Völkerrecht in den Mittelpunkt des G7-Gipfels zu stellen. Nur wenn die Verantwortlichen für Verstöße zur Rechenschaft gezogen werden, wird das Zeitalter der Straflosigkeit enden. 

IRC fordert die G7-Staaten auf, in der Abschlusserklärung des G7-Gipfels ihr kollektives Bekenntnis zum humanitären Völkerrecht zu bekräftigen, indem sie sich zu Folgendem verpflichten:

Ralph Achenbach, Geschäftsführer von IRC Deutschland, kommentiert: 

"Von Afghanistan über die Demokratische Republik Kongo bis nach Mali ist die heutige Kriegsführung dadurch gekennzeichnet, dass Konfliktparteien den Zugang zu Hilfsgütern verweigern. Die fehlende Reaktion auf diese Trends zeigt ein globales Systemversagen. Die rechtlichen Mechanismen, die Zivilist*innen schützen sollen, versagen - und doch klammern wir uns an die Illusion eines funktionierenden Systems.

Wenn die internationale Gemeinschaft nicht in der Lage ist, selbst bei öffentlichkeitswirksamen Kriegen und Konflikten wie in der Ukraine Rechenschaft über internationale Regelverstöße einzufordern, wie soll sie dann erfolgreich gegen "vergessene Krisen" vorgehen? Schreckenstaten wie in Butcha oder die Bombardierung von Fluchtkorridoren erinnern uns einmal mehr daran, wie wichtig es ist, die internationalen Regeln aufrechtzuerhalten, die die Grundlage der globalen Friedensordnung bilden und den Multilateralismus für die Zukunft sichern

Deutschland ist mit gutem Beispiel mit der Verpflichtung vorangegangen, die Mittel für humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit in besonders gefährdeten Krisenregionen aufzustocken und wichtige Initiativen wie den “Humanitarian Call for Action” gestartet hat. Als G7-Präsidentin und Gastgeberin des bevorstehenden G7-Gipfels sollte die Bundesregierung auf diese eigenen Zusagen nun aufbauen. Deutschland sollte gemeinsame diplomatische Maßnahmen zur Beseitigung der Zugangshindernisse für humanitäre Hilfe vorantreiben und die G7 mobilisieren für den Schutz der Rechte der Zivilbevölkerung durch die Genfer Konventionen und ihrer Zusatzprotokolle, der UN-Charta und der jüngsten Resolutionen des UN-Sicherheitsrats wie die Resolution 2286 zum Schutz der Gesundheit in Konflikten und die Resolution 2417 zur Ernährungsunsicherheit fördern. Dies ist der einzige Weg, um unsere auf regelbasierte internationale Ordnung zu schützen.”