Geflüchtete Menschen durchleben eine Zeit der Verzweiflung,” sagt David Miliband, Präsident und CEO von International Rescue Committee (IRC) als Reaktion auf die Veröffentlichung der neuen Zahlen durch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR). „Sie sind mit einer gleich doppelten, unvorstellbar großen Notlage konfrontiert: Konflikt und Vertreibung sowie der COVID-19-Pandemie und der dadurch ausgelösten globalen Wirtschaftskrise.

Die krisen- und konfliktbetroffenen Länder, in denen weltweit die meisten Geflüchteten und Binnenvertriebenen leben, bekämpfen COVID-19 mit extrem begrenzten Ressourcen. In Südsudan gibt es nur vier Beatmungsgeräte, mehr als die Hälfte der jemenitischen Gesundheitseinrichtungen sind zerstört, in Venezuela fehlt es in 90 Prozent der Krankenhäuser an lebensnotwendigen Medikamenten. Jetzt sind diese Länder und die vertriebenen Familien, die dort nach Sicherheit suchen, mit den sozialen, wirtschaftlichen und politischen Folgen konfrontiert, die diese Pandemie ausgelöst hat.

Diese beiden Notlagen werden durch das Fehlen globaler Führungsstärke in Bezug auf eine strategische und sofortige Hilfe für die Schwächsten in dieser Welt verschärft. Sie leiden, so das Ergebnis des IRC-Berichts 'Cost of Living', im Zuge der COVID-19-Pandemie umso mehr unter den wirtschaftlichen und sozialen Folgen von Kriegen und Konflikten. Die neuen Flüchtlingszahlen müssen deshalb für alle ein Alarmsignal sein.

Die COVID-19-Pandemie hat weltweit große Unstimmigkeit hervorgerufen. Das zeigt auch die Reaktion Europas: Für zehntausende Menschen, die unter schrecklichen Bedingungen in Flüchtlingslagern auf griechischen Inseln festsitzen oder vor dem eskalierenden Konflikt in Libyen fliehen, können und müssen die europäischen Regierungen mehr tun:

  1. Der bevorstehende neue Pakt der EU zu Migration und Asyl muss als entscheidende Chance genutzt werden, um ein humaneres, gerechteres und nachhaltigeres System für Geflüchtete, Asylbewerber*innen und Migrant*innen zu schaffen. Heute brauchen wir mehr denn je einen europäischen Ansatz, der nicht die Grenzen, sondern die Menschen in den Mittelpunkt seiner Migrationspolitik stellt. Wie in einem jüngsten IRC-Bericht zum 'Pakt für Migration und Asyl' der EU dargelegt, muss es dabei vor allem um Solidarität, Teilung der Verantwortung und Durchsetzung der Menschenrechte gehen.
  2. Die EU muss sich im Zuge der COVID-19-Pandemie für eine angemessene internationale Reaktion auf die doppelte Notlage von Geflüchteten und Binnenvertriebenen sowie weiteren schutzbedürftigen Menschen in den jeweiligen Aufnahmeländern einsetzen. Die Mobilisierung politischer und wirtschaftlicher Ressourcen für Prävention, Vorsorge und wirtschaftlichen Wiederaufbau, der auch Geflüchtete, Asylbewerber*innen und Migrant*innen einschließt, wird von entscheidender Bedeutung sein. Die Aufstockung der Budgets für humanitäre Hilfe und Entwicklung innerhalb des mehrjährigen EU-Finanzrahmens als auch das EU-Wiederaufbaupaket sind eine gute Gelegenheit für die Mitgliedstaaten, Solidarität zu zeigen.
  3. Die EU muss ihr diplomatisches Engagement verstärken, um auf einen dauerhaften Waffenstillstand in Konflikten wie in Jemen, Libyen und Syrien zu drängen. Der ungehinderte Zugang für humanitäre Hilfe muss wieder garantiert werden, damit die lebensrettende Unterstützung die Bedürftigsten erreichen kann. Dies betrifft insbesondere Syrien: Die Versorgung der Menschen im Nordosten des Landes wird nach wie vor stark behindert. Die Beschränkungen für Hilfskonvois über die irakisch-syrische Grenze hat drastische Folgen für die Bevölkerung vor Ort. Dringend benötigte überlebenswichtige medizinische und humanitäre Güter können nicht in der erforderten Menge geliefert werden. Dies erschwert auch Maßnahmen zur Eindämmung von COVID-19.