Eltern, die vor Krieg oder Gewalt aus ihrer Heimat fliehen mussten, haben belastende Erfahrungen gemacht. Daher kann es für sie schwer sein, eine fürsorgliche und ihren Kindern gegenüber aufmerksame Rolle auszuüben. Der Neustart in Deutschland bringt zusätzliche Herausforderungen: fehlende familiäre und soziale Netzwerke, wirtschaftliche Not oder auch unsichere Aufenthaltsbedingungen. Durch so viele Herausforderungen können sich geflüchtete Familien bei Erziehungsaufgaben schnell überfordert fühlen. In Zeiten von COVID-19 ist die Verunsicherung noch größer. IRC bietet im Rahmen des Projekts „Families Make The Difference“ Unterstützung an. In Berlin, Bonn, Leipzig und Mannheim vermitteln von uns ausgebildete Kursleiter*innen Erziehungsmethoden und zeigen Wege auf, wie Familien mit Stress umgehen können. Bassima aus Bonn gibt uns Einblicke in ihren Kurs für Eltern mit Kriegs- und Fluchterfahrungen, den sie auf Arabisch und zur Zeit online anbietet.

Eine Mutter und ihr Kleinkind sitzen auf dem Boden und spielen mit Holzspielzeug.
Gemeinsame Ebenen vermitteln Respekt. Daher rät Bassima den Eltern, gemeinsam mit ihren Kindern auf dem Boden zu spielen.

Bei „Families Make the Difference“ stehen Respekt und Kommunikation auf Augenhöhe im Mittelpunkt. Kursleiterin Bassima erklärt, dass Kleinigkeiten entscheidend sind, um das Selbstbewusstsein von Kindern zu stärken: „Zum Beispiel erkläre ich, wie wichtig gemeinsame Ebenen sind. Wenn das Kind auf dem Boden spielt, sollten die Eltern auch auf dem Boden sitzen – oder alle gemeinsam am Tisch. Es ist wichtig, dass Kinder Wertschätzung erfahren. Eltern sollten auch nicht mit Freunden bei Whatsapp schreiben, während sie mit ihren Kindern spielen. Nächstes Mal reden wir darüber, wie man mit aggressivem Verhalten umgeht. Wir behandeln auch das Thema gesundes Essen“, sagt Bassima. Besonders wichtig findet sie auch, den Eltern zu vermitteln, wie sie mit psychischen Problemen umgehen, die Kinder durch Kriegserfahrungen haben: „Dazu gehören zum Beispiel Alpträume, Nervosität oder das Vermissen zurückgelassener Angehöriger. Kinder brauchen die Gelegenheit über ihre Gefühle und Fragen wie Warum ist unsere Heimat zerstört? zu sprechen.“

Houda Joumaa, eine Teilnehmerin des Elternkurses, bestätigt Bassimas Expertise: „Ich habe viel Neues gelernt, auch darüber wie man Kinder erziehen und fördern kann, damit sie sich optimal entwickeln können. Meine Familie und ich sind International Rescue Committee und Dr. Bassima dankbar für diesen Kurs und all die hilfreichen Informationen.“

Einige Mütter im Elternkurs sprechen Bassima mit ihrem Doktortitel an. „Ich hätte beruflich gerne an mein Studium angeknüpft,” sagt die Agrarwissenschaftlerin, die sechs Jahre lang eine berufliche Auszeit nahm, um sich ganz ihren Kindern zu widmen – eine zu lange Pause, um als Akademikerin weiterzuarbeiten. „In Deutschland gibt es strikte Regeln, was berufliche Laufbahnen angeht“, erklärt Bassima. Da es ihr, wie sie sagt leichtfällt, die deutsche Mentalität zu vermitteln, erklärt sie im Kurs auch bürokratische Strukturen. „Die Deutschen mögen mich und ich mag sie. Ich bin schon lange hier und kann dadurch den Kursteilnehmer*innen den Einstieg in die Gesellschaft erleichtern. Ich helfe den Familien gerne und beantworte Fragen zu Themen wie Kita und Schulamt“, sagt Bassima. Die Syrerin zog für ihr Studium nach Bonn. „Dort lernte ich meinen Mann kennen. Er ist auch Syrer und lebt jetzt schon 45 Jahre hier.” Die promovierte Agrarwissenschaftlerin lebte mit ihrem Mann anschließend zehn Jahre lang in Worms, bevor sie zurück nach Syrien gingen. Doch dann kam der Krieg. „Da sagte ich meinem Mann: Ich will in meine Heimat zurück - nach Bonn.”

An ihrer jetzigen Arbeit gefallen ihr vor allem die Flexibilität und der Austausch mit den Teilnehmer*innen, für die sie unter anderem Übungen vorbereitet, um Emotionen bei Kindern besser erkennen zu können: „Ich versuche ihren Blick für kleine Details zu schärfen. Sich selber Dinge zu erarbeiten, ist mir wichtig.“

Momentan leitet Bassima zwei Gruppen. Aufgrund von COVID-19 findet der Elternkurs nun virtuell statt - für Bassima und die Teilnehmenden eine gute Alternative: „Während der Pandemie brauchen die Familien besondere Unterstützung. Durch die Schließung von Kitas und Schulen sind Eltern noch stärker belastet. Ich beruhige die Frauen und wir diskutieren gemeinsam, wie wichtig Sauberkeit und Hygiene jetzt sind. Die meisten Frauen haben vier oder fünf Kinder. Da bleibt wenig Zeit zum Rausgehen. Ich erinnere sie aber daran, dass frische Luft und Bewegung wichtig ist für Kinder.“ 

Mädchen malt am Schreibtisch
Fariedas Tochter hat noch zwei Geschwister. Ihre Mutter empfindet den Elternkurs als sehr hilfreich.

Im Moment nehmen nur Mütter an Bassimas Kursen teil. Farieda ist eine von ihnen. Die Mutter von drei Kindern ist begeistert: „Ich hoffe, dass es zukünftig mehr solcher sensibilisierender Programme geben wird – sowohl für Mütter als auch für Väter.“

Andere Kursleiter*innen der „Families Make The Difference“ - Kurse haben mit Väterkursen und gemischten Kursen bereits gute Erfahrungen gemacht. Auch Bassima fände es schön, wenn sich Väter mehr einbringen würden: „Frauen sind aktiver, wenn es um die Familie geht. Ich versuche sie zu ermuntern, die Väter mit einzubeziehen. Kinder gehören in die Mitte, sie sollen von Mutter und Vater zu gleichen Teilen Aufmerksamkeit und Fürsorge erhalten.“

*Über das Projekt „Families Make the Difference“

Eltern mit Fluchtgeschichte wünschen sich, wie andere Eltern auch, dass ihre Kinder sorglos, sicher und mit viel Liebe aufwachsen können. Die IRC „Families Make the Difference“ Elternkurse setzen genau an diesem Punkt an. Die Kurse geben Eltern die Möglichkeit, ihre Erfahrungen untereinander auszutauschen und herauszufinden, wo Familien in Deutschland Unterstützung erhalten können. Veränderte Strukturen und Rollenverhältnisse innerhalb der Familie sowie Fragen zur Kindererziehung können im Rahmen der Elternkurse diskutiert werden. Die Kurse werden in den Sprachen Arabisch, Dari, Kurdisch (Kurmanci), Russisch und Englisch angeboten. Unsere Kursleiter*innen sind in Berlin, Bonn, Brandenburg, Erfurt, Leipzig, Mannheim und Peine tätig.