Missbrauch, Gewalt und Verfolgung: Für die 33-jährige Transfrau Lincy Sopall gehörte dies zum Alltag in ihrer Heimat Honduras.

Nach ihrer Flucht in die Vereinigten Staaten beantragte sie Asyl. Im Mai 2018 wurde es ihr gewährt. Neues Zuhause: Phoenix, Arizona. Mit der Unterstützung von International Rescue Committee baute sie sich dort ein neues Leben als Modedesignerin auf. Eine ihrer ersten Kund*innen, die 39-jährige Kim, ist inzwischen ihre beste Freundin.

Im Interview erzählen sie, wie sie sich kennen gelernt haben und warum sie einander nicht mehr missen wollen.

Lincy Sopall steht neben ihrer Freundin Kim Mundis
Kim Mundis, links, traf Lincy Sopall, eine transsexuelle Modedesignerin aus Honduras, bei einer Veranstaltung.
Foto: Andrew Oberstadt/IRC

Kim: Ich war mir nicht sicher, was ich heute anziehen sollte. Lincy ist immer viel besser gekleidet als ich. Deshalb wollte ich sie beeindrucken. [Lacht].

Mein Mann und ich waren auf einer Veranstaltung von International Rescue Committee – „World Bazaar“. Lincy stellte dort ihre Kollektion vor. Ich sah eines ihrer Kleider, fand es hinreißend und wollte es sofort haben.

Lincy: Nach der Veranstaltung rief sie mich gleich an und fragte, ob sie das Kleid kaufen könne. Das war ein sehr emotionaler Moment für mich.

Kim: Ich verstehe nicht, warum sie so aufgeregt war. Ich weiß, Lincy wird irgendwann berühmt werden. Dann kann ich sagen, dass ich ein Lincy-Original habe und eine ihrer ersten Kundinnen war.

Lincy: In diesem Land kann ich wieder tun, was ich so sehr liebe. Kim hat mein Geschäft eröffnet. Als sie mich bat, etwas für mich zu entwerfen, wusste ich, dass ich noch weitere Kund*innen haben werde.

Kim: Lincys Wortebedeuten mir sehr viel. Ich erinnere mich noch gut: Wir bin damals gerade umgezogen und kam vom anderen Ende der USA nach Arizona. Es war sehr schwierig, dort alles zurückzulassen und hier wieder neu anzufangen.

Wenn ich einen schlechten Tag habe, denke ich an Lincys Mut. Ich finde es toll, wie sie dafür kämpft, sie selbst sein zu dürfen. Sie gibt nie auf. Ich bin sehr glücklich, ihre Freundin zu sein. Schaut euch ihr Lächeln an. Wie kann man sie nicht mögen?

Lincy: Menschen, die meine Geschichte kennen, denken oft: Wenn sie eine solch harte Zeit durchgestanden hat, dann schaffe ich das auch.Die Sonne geht auf und wieder unter. Morgen ist ein neuer Tag. Wir sollten eine positive Einstellung haben und unser Leben in vollen Zügen genießen.

Wenn ich Kim und meine anderen tollen Freund*innen in diesem Land nicht kennen gelernt hätte, würde ich mich so fühlen wie damals, als ich ein junges Mädchen war: völlig allein. Es ist schön und sehr bewegend, wenn man in einer neuen Heimat trotz sprachlicher Barrieren Freundschaften aufbauen kann, wenn Menschen ihre Türen für mich öffnen. Meine Eltern und Schwestern sind zwar nicht hier, dafür habe ich Freund*innen.

Kim: Ich würde gerne all diejenigen in unserem Land, die Menschen wie Lincy nicht aufnehmen wollen, auf einen Kaffee oder Tee einladen. Fünf Minuten mit Lincy - wie kann man da nicht seine Meinung ändern?

Lincy: Es war eine so wunderbare und emotionale Überraschung, als Kim mich zu meinem Geburtstag in ein honduranisches Restaurant einlud.

Kim: Ich mache mir große Sorgen um Lincy. Sie kam hierher, um in Sicherheit leben zu können. Ich hoffe, dass sie das ist. Die Realität sieht aber so aus: schwarze Transfrauen erfahren auch hier Gewalt. Nach allem, was sie durchgemacht hat und allen Herausforderungen, die sie bewältigt hat, kann Lincy immer noch nicht ohne Angst leben.

Lincy:  Leider haben Gesellschaften und Staaten Menschen von einander weggetrieben. Dabei haben wir alle eine Geschichte zu erzählen. Jede davon ist einzigartig. Seid kein Teil der Spaltung, lasst uns zusammenhalten!