Als Adam John zum ersten Mal traf, spielte er eine Komödie mit einer Banane. „Adam war völlig außer sich, er konnte nicht aufhören, über meine Improvisation zu lachen. Ich dachte, ja, dieser Typ ist nett, er hat einen guten Sinn für Humor“, sagt John. 

Es war 1999 und John hatte ein Vorsprechen. Er wollte sich Adam, einem Schauspieler und Theatervermittler, in einer Produktion anzuschließen, die im Begriff war, Schulen in Südlondon zu besuchen. „John war mit Abstand die beste Person für den Job – von Anfang an hat es mit ihm sehr viel Spaß gemacht“, sagt Adam. 

Ein Mann mit einem Hut steht vor einer orangefarbenden Wand
John kam aus Südamerika nach Groß Britannien
Foto: Andrew Oberstadt/IRC

In der Produktion, in der Adam und John mitwirkten, ging es um zwei Flüchtlinge, die kürzlich aus Südamerika nach Großbritannien gekommen waren. Es war eine Erfahrung, die John ganz ähnlich selbst gemacht hatte. Fünf Jahre zuvor stieg er in Bogota in Kolumbien in ein Flugzeug nach Heathrow und ließ sein gesamtes Leben hinter sich.  

„Ich musste aus meinem Land fliehen, weil mein Leben in Gefahr war“, erklärt John. „Es gab so viele Versuche, mich zu töten. Ich wusste, dass ich fliehen musste, um zu überleben“ 

Nach drei Schüssen auf mich, eine Rakete auf mein Haus und eine auf mein Auto wurde mir bewusst, dass ich in Gefahr war. Ich war ein bekannter Schauspieler, der sich im Fernsehen, Theater, Radio und in Filmen präsentierte. Ich war auch in der Politik.“ Es waren Johns politische Verbindungen, die sein Leben gefährdeten.  

John kämpfte darum, sich an das Leben in Großbritannien anzupassen. Es dauerte elf Jahre, bis ihm der Flüchtlingsstatus anerkannt wurde. Der Beitritt in die Theatergruppe mit Adam war das erste Mal, dass John ein Gefühl der Zugehörigkeit verspürte. „Früher waren alle meine Erfahrungen nicht so positiv. Wenn man die Sprache nicht fließend spricht, sehen die Leute einen auf eine Art und Weise an, nach dem Motto ‚nicht noch so einer‘. Aber als ich in dieser Theatergruppe ankam, fühlte ich mich zu Hause. Sie schätzten mich als Person, ich wurde zu hundert Prozent aufgenommen.“ 

Zwei Männer sitzen nebeneinander auf einem Sofa und unterhalten sich
Foto: Andrew Oberstadt/IRC

Adams Theatergruppe profitierte von Johns Aufnahme in die Gruppe. „Die Show war vor John schon ziemlich gut, aber nachdem er beigetreten war, wurde sie zehnmal besser. Er brachte Musik, Bewegung und so viel Freude mit. Das ist die Sache mit John: er sprudelt nur so über vor  Freude, er war schon immer so“, sagt Adam.  

Adam hat bemerkt, dass John immer alles gibt – egal, was passiert. „Bei einer Show sah es so aus, als hätte John Schmerzen. Aber er sagte immer wieder, dass es ihm gut gehe. Er wollte die Show fortsetzen und auch beenden. Es stellte sich heraus, dass er Nierensteine hatte – aber er spielte bis zum Schluss weiter!“ 

Seit der ersten Show bieten Adam und John Theaterworkshops für junge Leute an. „John ist wirklich fleißig – er hört sich die Geschichten der Leute an und findet einen Weg, sie so zu präsentieren, dass sie zufrieden damit sind. Ich versuche immer noch, ihn für Sachen anzuheuern – aber er ist jetzt oft zu beschäftigt!“ sagt Adam. 

Ein Mann mit einem Hut steht vor einer orangefarbenden Wand
Adam, ein Schauspieler und Dramaturg aus London
Foto: Andrew Oberstadt/IRC

John unterrichtet derzeit an einem College in Südlondon, wo er Theaterkurse für junge Menschen mit Behinderungen und Schüler*innen, die Englisch lernen wollen, leitet. Er unterrichtet auch Spanisch über Chatterbox, eine Website, die Online-Lektionen anbietet.  

Er ist sehr stolz auf seine Schülerinnen und Schüler: „Ich habe einen Schüler, der Reporter bei Al Jazeera arbeitet.  Ich habe Schüler, die an der Universität studieren, ich habe Schüler, die Eltern sind und gekommen sind, um mir ihre Babys zu zeigen. Zu sehen, wie sie im Leben vorankommen, ist eine große Belohnung für mich. Einige von ihnen nennen mich sogar Onkel!“ 

„Ich bin selbst behindert, deshalb bedeutet mir die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen sehr viel. In Kolumbien brachen sie mir fast die Wirbelsäule. Ich weiß genau, wie es sich anfühlt, mit einer körperlichen Behinderung zu leben. Nach dem sie mir mit einer Schrotflinte in meinen Kopf geschossen haben, erlitt ich Anfälle. Ich habe immer noch Metallteile in meinem Kopf“, sagt John, als er seinen Kopf dreht, um zwei große Einkerbungen in seinem Schädel zu zeigen.  

Er musste aufrund seiner Verletzungen viel Zeit im Krankenhaus verbringen: „Meine Schüler*innen schickten mir Karten, als ich im Krankenhaus war. Eine Botschaft, an die ich mich erinnere: ‚Dank dir weiß ich, was Lächeln ist. Ich dachte, ich hätte es verloren.‘ Es gibt nichts Materielles, was man mir schenken könnte. Die wunderbaren Dinge, die meine Schüler*innen mir sagen, sind das Beste für mich.“ 

Adam und John teilen beide den Wunsch, einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft zu haben. John ist der Meinung, dieser Wunsch habe die beiden zusammengebracht. „Meine Großmutter sagte immer zu mir: ‚Tue etwas, das du liebst – tue nichts, was dir nicht gefällt.‘ Ich sehe das an Adam. Er liebt, was er tut. Es ist sehr inspirierend, jemanden zu treffen, der die gleiche Lebensvision hat wie wir aus Südamerika.“

Adam fühlt sich auch von John inspiriert: „Seine Menschlichkeit und Integrität bewegen mich. Als wir anfingen zusammenzuarbeiten, waren die Zeitungen voll von schrecklichen Schlagzeilen über Flüchtlinge und Migranten. Doch seine Intention blieb, Spaß zu haben, das Bewusstsein zu schärfen und dafür zu sorgen, dass die Schüler*innen gehört werden. Das sehe ich immer wieder an ihm. Er fragt immer: Was kann ich tun?“