„Ich habe keine Träume. Ich setze mir Ziele und tue was nötig ist, um sie zu erreichen,“

- Muna Hussen, die als Tochter somalischer Geflüchteter im Alter von fünfzehn Jahren nach Deutschland kam.

Die Flucht nach Deutschland

Munas Eltern mussten aus ihrem Heimatland Somalia nach Libyen fliehen. Dort kam die heute 23-Jährige in der kleinen Stadt Janzur zur Welt, wo die Familie bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs im Februar 2011 lebte. „Bis ich 15 war, hatten wir in Libyen ein schönes Leben. Dann wurden Waffen verteilt, es gab Luftangriffe, Explosionen, jeden Tag viele tote Menschen. Meine Eltern haben entschieden, dass wir das Land verlassen müssen,“ erinnert sich Muna. Über das Meer nach Europa geschleust zu werden, war die einzige Möglichkeit zur Flucht. „Auf diesem Schiff waren 630 verzweifelte Menschen. Es legte im Hafen von Tripolis ab. Mit Frauen, Kindern, Alten und Schwangeren. Sie kamen alle aus Afrika. 40 Stunden. Ohne Essen. Ohne Trinken. Ohne Schlaf,“ erzählt Muna. Die Familie verbrachte vier Monate in Italien. Von einem Asylheim in Lampedusa ging es weiter nach Parma und Turin. In dieser Zeit dachte Muna viel über ihre Zukunft in Europa nach: „Ich hoffte, dass ich eine Schule besuchen darf, meinen Traumjob lernen kann und meine Ziele erreichen würde. Ich hatte Angst davor, dass mich das Lernen einer neuen Sprache zu viel Zeit kosten würde, so dass ich es nicht auf eine Schule schaffen würde.“

Im Juni 2011 kam die Familie nach Deutschland. Bevor Muna in Mannheim mit der Schule anfangen konnte, wurde die Familie von Aachen nach Karlsruhe, Trier und dann in eine Unterkunft nach Ludwigshafen geschickt.

Integration durch das duale Ausbildungssystem

In einer Mannheimer Berufsschule perfektionierte Muna nicht nur ihr Deutsch, sondern erhielt auch Einblicke in verschiedene Berufsfelder. „Während meiner Schulzeit habe ich viele Praktika gemacht, in Bereichen wie Einzelhandel, Medizin, Bäckerei und Chemie. Eine Lehrerin empfahl mir: ‚Wenn du weißt, dass Chemie und Industrie deine Sache sind, mach doch eine Ausbildung‘.“ Das duale Ausbildungssystem in Deutschland kombiniert Theoriephasen in Berufsschulen mit Praxisphasen in Unternehmen. Anfangs hatten Muna und ihre Familie Bedenken, dass sie ohne Studium weniger Chancen hätte. Dennoch hat sie sich beworben und einen Ausbildungsplatz in einem der größten Pharmaunternehmen weltweit bekommen. Heute empfiehlt Muna anderen Geflüchteten, sich einen Ausbildungsplatz zu suchen und sofort anzufangen:

Ein junges Mädchen mit einem bunten Kopftuch und einer Brille lächelt.
„So wird es leichter, sich in die Gesellschaft zu integrieren, die Sprache schnell zu lernen und weitere Qualifikationen zu bekommen. In meiner Ausbildung lerne ich viel über den Berufsalltag und mache wichtige Erfahrungen für das echte Leben. Ich lerne, wie man sich gut organisiert, effizient wird und bewusst mit dem Geld umgeht, das man verdient. Ich kann meinen Traumjob ausüben und habe die Aussicht, in diese Firma übernommen zu werden. Es ist ein großartiges Bildungsprogramm, das unsere Lebensqualität verbessert. Nutzt diese tolle Chance hier in Deutschland, die wir nirgendwo anders bekommen hätten!“
Foto: David Debrah/IRC

IRCs ‚Healing Classrooms‘ an Berufsschulen in der Rhein-Neckar-Region

Muna hat ihren Realschulabschluss an der Justus-von-Liebig-Schule in Mannheim absolviert. Dort führt IRC Deutschland seit 2018 das „Healing Classrooms“-Programm durch. Wir unterstützen Lehrer*innen dabei, die Schule als stabilisierendes Umfeld zu gestalten, in dem wir konkrete Übungen und Unterrichtsansätze vermitteln. Das ist wichtig für Kinder und Jugendliche, die dauerhaften Stress erfahren haben, der ihre Stärken überschatten kann und ihnen das Lernen erschwert. Jugendliche, die zum Beispiel aus dem Krieg geflohen sind, haben erlebt, wie es ist, die Geschehnisse um sie herum nicht kontrollieren zu können. Das kann ein Ohnmachtsgefühl oder Unsicherheit auslösen. In einem geschützten Umfeld können Lehrer*innen die sozial-emotionalen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen stärken. Sei es Konflikt- und Beziehungsfähigkeit, Gefühlsregulierung, Beharrlichkeit oder auch Konzentrationsfähigkeit – das alles brauchen die Schüler*innen besonders in der Welt außerhalb der schützenden Fassade der Schule.