Der 24-jährige Musa* aus Afghanistan beschreibt sein Leben im Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos und erzählt, welchen Bedrohungen er und andere Geflüchtete während der Coronavirus-Pandemie ausgesetzt sind.

Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist neue Heimat von Tausenden von Geflüchteten. Ich bin einer von ihnen. Wenn eine Person, die sich mit dem Coronavirus angesteckt hat, ins Lager kommt, dann werden das alle anderen hier auch bekommen. Menschen, die älter als 50 sind, werden sterben. Menschen, die Herz- und Lungenkrankheiten haben, werden sterben. Viele Menschen werden jemanden verlieren, den sie lieben. Alle hier im Lager sind sehr nervös.

EineFrau wäscht sich in einer Schüssel die Hände
Wasser ist entscheidend, damit sich die Menschen vor Covid-19 schützen können. Aber in Moria gibt es das nur wenige Stunden am Tag.
Foto: Milos Bicanski/IRC

Ärzt*innen sagen, man soll sich regelmäßig die Hände waschen. Aber wir haben nur ein paar Stunden pro Tag Wasser. Sie sagen, wir sollen zwei Meter Abstand voneinander halten. Aber wir leben mit 20.000 anderen Menschen zusammen – unmittelbar aufeinander. Distanzierung ist da gar nicht möglich.

Es gibt hier drei verschiedene Arten der Unterbringung. Eine ist die „ISO-Box“, das ist wie ein Container. Das sind die besten Unterkünfte. Dort gibt es Strom. Es ist wie unser Himmel. Trotzdem: So eine Box ist eigentlich für eine Familie gedacht. Hier leben gleich mehrere Familien darin. Die zweite Unterbringung – die bauen wir uns selbst: mit Holz und Plane. In so etwas wohne ich. Unsere Hütte ist etwa 4x4 Meter breit. Ich wohne mit 7 anderen Leuten dort. Die dritte Möglichkeit: Das sind Zelte. Die Menschen dort haben es am schlimmsten. Regen, Wind, Wasser, Kälte, Tiere und Insekten – alles kommt rein, alles tut weh.

Wir können uns nicht so verhalten wie viele andere in Europa. Man bleibt zu Hause, putzt seine Wohnung, wäscht sich, geht nicht an überfüllte Orte. Aber hier? Wir müssen für alles Schlange stehen. Für Essen. Zum Duschen. Um auf die Toilette zu gehen. Und diese Schlangen sind wirklich überfüllt. Ich sehe so viele alte Menschen da und das macht mich sehr traurig. Die meisten von ihnen werden wohl sterben, wenn das Coronavirus kommt.

Ich arbeite ehrenamtlich in der Gemeinde hier, um Informationen über das Coronavirus und einige der Verhaltensweisen zu vermitteln, die Menschen haben sollten. Viele wissen nicht genau, was das eigentlich, nur dass es tötet. Sonst gibt es viele Gerüchte. Manche glauben, man könne sich nicht anstecken, wenn man in der Sonne ist. Ich halte es für meine Pflicht, anderen zu helfen. Wir sagen ihnen, dass sie sich so oft wie möglich die Hände waschen, in die Arme husten, ihr Gesicht nicht berühren und versuchen sollen, nicht zu nah an andere Menschen zu kommen.

Ich glaube, wir können die Verbreitung des Coronavirus im Lager nicht verhindern. Deshalb brauchen wir Unterstützung: Wasser rund um die Uhr, Seife zum Händewaschen, Desinfektionsmittel, Masken und eine gute medizinische Betreuung, damit jemand, der sich ansteckt, schnell Hilfe bekommen kann.

Ich möchte, dass die Menschen in Europa wissen, dass wir auch Menschen sind. Wir alle hatten Gründe, hierher zu kommen. Niemand würde seine Eltern und sein Zuhause zurücklassen, wenn es nicht notwendig wäre. In Afghanistan, wo ich herkomme, und in Syrien gibt es Krieg und Terror. Menschen sind gefoltert worden. Sie sind müde.

Deshalb bitte ich Sie: Wir haben Kinder hier und alte Menschen, manche sind ohne Familie gekommen, andere bei schlechter Gesundheit. 

Wir sind alle Menschen. Hautfarbe, Grenzen, Sprache sind nicht wichtig. Wichtig ist, dass wir Menschen sind. Jeder verdient es, in Sicherheit leben zu können.

*Der Name wurde geändert.