Jeden November erheben Frauenrechtsaktivistinnen ihre Stimme. Die Kampagne #16Days of activism will wachrütteln und Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass in Deutschland und weltweit nach wie vor viele Frauen und Mädchen unter geschlechtsspezifischer Gewalt leiden. Was muss getan werden, damit diese Frauen und Mädchen ein sicheres und selbstbestimmtes Leben führen können?

„Es ist jedes Jahr herzzerreißend, die Zahlen zu sehen – wie viele Frauen und Mädchen getötet, verletzt oder diskriminiert wurden. Aber für 2020 ist die Prognose besonders düster“, sagt Nicole Behnam, Senior Direktorin für Gewaltprävention und -reaktion bei International Rescue Committee (IRC). In diesem Jahr hat es weltweit mehr Berichte über Gewalt gegen Frauen und Mädchen gegeben. Aufgrund der mit der COVID-19-Pandemie einhergehenden Ausgeh- und Kontaktbeschränkungen saßen viele Frauen und Mädchen in ihren Häusern fest, eingesperrt mit ihren Peinigern, von Unterstützungsnetzwerken und -diensten isoliert.

Die Frauenrechtsaktivistin und Anwältin Razia Sultana (Mitte) betreibt ein Frauenzentrum in einem Flüchtlingslager in Cox's Bazar, Bangladesch. Dort klärt sie Rohingya-Frauen über ihre Rechte auf.
Foto: Habiba Nowrose/IRC

 

Mehr Gewalt in Krisenzeiten

Es ist bekannt: Wo eine Krise herrscht oder ausbricht, nimmt die Gewalt gegen Frauen und Mädchen zu. Die globale COVID-19-Krise ist nur ein Beispiel dafür. In einer kürzlich von IRC durchgeführten Analyse berichteten 73 Prozent der befragten Frauen, die in Krisenkontexten leben, über einen Anstieg von häuslicher Gewalt seit Beginn der Pandemie. 51 Prozent gaben an, sexuelle Gewalt habe zugenommen. 32 Prozent berichteten von einem Anstieg bei Kinder- und Zwangsheirat.

Obwohl Frauen und Mädchen, die in Kriegs- und Krisengebieten leben, besonders gefährdet sind, werden nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung gestellt, um Gewalt gegen Frauen und Mädchen wirksam und nachhaltig zu stoppen. Dass ihrer Sicherheit Vorrang eingeräumt werden muss, ist unumstritten. Dennoch bleiben die bisherigen Leistungen weit hinter den Erwartungen zurück. Grund dafür ist die fehlende Finanzierung bedarfsgerechter Programme. Weniger als ein Prozent der globalen Mittel für humanitäre Hilfe fließen in Programme zur Prävention und Reaktion auf geschlechtsspezifische Gewalt.

Im Flüchtlingslager Bidi Bidi in Uganda werden im Rahmen der Bildungs- und Beratungsdienste der von IRC unterstützten Frauengruppe Togoletta auch Männer mit einbezogen. Denn auch sie, so die Meinung der Aktivistinnen, müssen mehr über Frauenrechte erfahren.
Foto: Habiba Nowrose/IRC

Mehr Geld, mehr Teilhabe

Dabei gibt es konkrete Maßnahmen, mit deren Umsetzung die Gewalt gestoppt werden könnte. Das gilt zum Beispiel für das Leben in Flüchtlingslagern und anderen Notunterkünften, in denen Geflüchtete und Vertriebene Schutz suchen. Doch oft werden für Programme, zur Prävention geschlechtsspezifischer Gewalt oder zur Unterstützung Überlebender keine Mittel bereitgestellt. Hinzu kommt: Wenn Entscheidungen getroffen werden, dann meistens über den Kopf geflüchteter Frauen und Mädchen hinweg. Sie müssen jedoch mit am Tisch sitzen, damit ihre Prioritäten für Sicherheit und Wohlergehen berücksichtigt werden. Während der Pandemie kam es vor allem auf den Einfallsreichtum der von Frauen geführten Organisationen in ihrer jeweiligen Gemeinde an. Dank ihres Einsatzes konnten Schutzräume für Frauen und Mädchen wieder unter Einhaltung aller COVID-19-Regelungen geöffnet und Beratungsprogramme auch mit Hilfe digitaler Kommunikation fortgeführt werden.

Séraphine Nsekanabo Musanga und Marie Jeannette Nabintu M'Mirindi von der IRC-Partnerorganisation Ituze reisten in die USA, um über ihre Erfahrungen in der Demokratischen Republik Kongo zu sprechen.
Foto: Meredith Hutchinson / IRC

Alle können helfen

Um eine sichere und gerechtere Welt für Frauen und Mädchen zu schaffen, sind alle gefordert:

„Das Ausmaß der Gewalt mag überwältigend erscheinen“, sagt Nicole Behnam, „aber wenn wir alle die Herausforderung annehmen und der Gleichstellung der Geschlechter sowie der Eindämmung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen wirklich Priorität einräumen, dann werden wir bald keine Kampagnen wie diese mehr brauchen.“

Für Hilfe in Deutschland kontaktieren Sie bitte Hilfetelefon.de für Online-Beratung oder die Nummer 08000 116 016 für telefonische Beratung. Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen ist in Deutschland ein bundesweites Beratungsangebot für Frauen, die Gewalt erlebt haben oder noch erleben.