Am frühen Morgen des 6. Februar erschütterte ein schweres Erdbeben den Süden der Türkei nahe der syrischen Grenze. Während die Rettungskräfte inmitten der Verwüstung versuchten Menschenleben zu retten, folgten Hunderte starke Nachbeben.

Nur zwei Wochen später, am 20. Februar, erschütterte ein Erdbeben der Stärke 6,3 die Provinz Hatay im Süden der Türkei. Die Erschütterungen waren auch in Syrien, Jordanien, Libanon und Irak zu spüren. Berichten zufolge gab es weitere Gebäudeeinstürze und Todesopfer. 

Hunderttausende Menschen in der Türkei, in Syrien und im benachbarten Libanon sind direkt betroffen. Der Bedarf an humanitärer Hilfe in der Region, in der viele Menschen durch den 12-jährigen Konflikt in Syrien vertrieben wurden, war bereits hoch, bevor die Erdbeben die bestehende Krise weiter verschärften.

Lesen Sie unsere Pressemitteilung.

Erfahren Sie mehr über die sich ereignende Krise und wie Sie helfen können:

 

Wo ist das Erdbeben aufgetreten?

Morgens um 4:17 Uhr ereignete sich das erste Erdbeben in der Nähe der Stadt Gaziantep in der Türkei, etwa 80km nördlich der syrischen Grenze. Es dürfte das stärkste Erdbeben in der Türkei seit 1939 sein, als ein Beben derselben Stärke 30.000 Menschenleben forderte.

Während der Rettungsarbeiten, folgten Hunderte von Nachbeben – das stärkste mit einer Stärke von 7,5. Dies verursachte weitere Wellen der Zerstörung, brachte Such- und Rettungskräfte in Gefahr und betraf auch Gemeinden im Süden der Türkei, in Nordsyrien und Teilen des Libanon.

Durch das Erdbeben und die Nachbeben wurden Straßen, Grenzübergänge und wichtige Infrastrukturen beschädigt, wodurch Hilfsmaßnahmen stark behindert werden.

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Wer ist von dem Erdbeben betroffen?

Diese verheerenden Erdbeben haben in der gesamten Region Hunderttausende von Menschenleben gefordert und viele weitere verletzt. Es ist anzunehmen, dass die Zahlen weiter steigen werden, da die Rettungskräfte weiterhin in den Trümmern von Häusern und Gebäuden suchen.

Gleichzeitig werden die Verwüstungen, die die Beben hinterlassen haben, die anhaltende humanitäre Krise in Syrien und im Libanon weiter verschärfen. Beide Länder stehen auf der Emergency Watchlist 2023 von International Rescue Committee, in der die Länder gelistet sind, in denen eine Verschlechterung der humanitären Lage im kommenden Jahr am größten ist.

„Überall sonst auf der Welt wäre dies eine Notlage", sagt Mark Kaye, Leiter der Politik, Advocacy und Kommunikationsabteilung bei IRC für den Mittleren Osten und Nordafrika.

„Was wir in Syrien erleben, ist eine Krise innerhalb einer Krise.“

Syrien

IRC-Mitarbeiter*innen vor Ort , berichten, dass das Beben Gebiete betroffen hat, in denen eine große Zahl von Familien lebt, die zuvor schon durch den Konflikt vertrieben wurden. Viele der betroffenen Menschen sind bereits bis zu 20 Mal vertrieben worden.

„Diese sechzig Sekunden, oder vielleicht ein bisschen mehr, fassen zwölf Jahre Krieg, Zerstörung, Vertreibung und Morde zusammen", sagte Hamed*,IRC-Mitarbeiter für wirtschaftliche Entwicklung in Syrien. „Die Menschen haben alles verloren - ihre Häuser, ihre Kinder, ihre Lebensgrundlage", fügte er hinzu. „Sie haben alles verloren, was sie haben und sind auf der Straße gelandet."

Der anhaltende Krieg im Land hat die lebenswichtige Infrastruktur, einschließlich des Gesundheitssystems, geschwächt, sodass es nicht mehr über ausreichend Ressourcen verfügt, um auf Notfälle wie diesen zu reagieren. Nur 59 % der Krankenhäuser in Syrien sind voll funktionsfähig.

Die Stromversorgung im gesamten betroffenen Gebiet ist nach wie vor unregelmäßig, in vielen Teilen Nordsyriens ist das Netz komplett ausgefallen. Dazu gehören auch Mobilfunk- und Internetausfälle, was die Reaktion und Koordinierung noch schwieriger macht. 

Auch die Gasversorgung, auf die viele Menschen angewiesen sind, um ihre Häuser zu heizen, ist stark beeinträchtigt - das heißt, selbst wenn die Menschen in ihre Häuser zurückkehren können, müssen sie eisige Temperaturen ertragen.

Schon vor den Beben fehlten 2 Millionen Menschen im rauen syrischen Winter eine angemessene Unterkunft. Darunter 800.000 Menschen - die meisten von ihnen Kinder -, die in provisorischen Unterkünften ohne beständigen Zugang zu Heizung, Strom, sauberem Wasser oder sanitären Einrichtungen leben.

Erdbeben in Syrien - Zwei Männer schieben einen Rollstuhl mit einer älteren Frau
Bewohner*innen von Aleppo, Syrien, werden evakuiert, nachdem Erdbeben erhebliche Schäden in der Stadt verursacht haben.
Foto: AFP via Getty Images

"Die Temperaturen sinken auf unter null Grad, sodass Tausende von Menschen schutzlos der Kälte ausgesetzt sind", sagt Tanya Evans, Programmdirektorin von IRC in Syrien.

"Frauen und Kinder sind besonders der Gefahr von Ausbeutung und Missbrauch ausgesetzt, wenn sie wieder vertrieben werden", erklärt sie. "Viele Menschen im Nordwesten Syriens wurden bereits bis zu 20 Mal vertrieben, und da die Gesundheitseinrichtungen bereits vor dieser Tragödie überlastet waren, hatten viele keinen Zugang zu dringend benötigter medizinischer Versorgung.“

Einige Länder haben zwar angekündigt, Erdbebenhilfe für Syrien zu leisten, doch der existierende internationale Aktionsplan für humanitäre Hilfe ist nach wie vor stark unterfinanziert, da weniger als die Hälfte der für die Deckung des humanitären Bedarfs erforderlichen 4 Milliarden Dollar zur Verfügung stehen.

Ein kleines Mädchen steht vor dem Zelt ihrer Familie in Syrien
Farah*, 7, und ihre Familie wurden aus ihrer Heimat vertrieben und mussten nach Nordsyrien ziehen. Jetzt leben sie in einem provisorischen Zelt, das oft unter der Last des Schnees zusammenbricht.

 

Türkei

In der Türkei arbeiten Rettungshelfer daran, Familien aus den Gebäuden zu retten, die durch die Erdbeben zerstört worden sind. Starke Nachbeben, darunter das Beben der Stärke 7,5, das den Bezirk Elbistan erschütterte, haben die Rettungsmaßnahmen erschwert. Länder aus der ganzen Welt haben ihre Unterstützung für Nothilfe angeboten.
 

Libanon

Das erste Erdbeben war auch im Libanon zu spüren und erschütterte die Häuser für etwa 40 Sekunden. Viele Bewohner der Hauptstadt Beirut wurden aus Angst vor einstürzenden Gebäuden evakuiert.

Wie reagiert die Welt?

Während örtliche Ersthelfer*innen in der Türkei, Syrien und im Libanon versuchen die Verletzten in Sicherheit zu bringen, hat die Europäische Union Such- und Rettungsteams mobilisiert, um die Türkei zu unterstützen. Die Organisationen der Vereinten Nationen haben währenddessen ihre eigenen Notfalleinsätze in der Region eingeleitet. Die USA, das Vereinigte Königreich und andere Länder haben in der Zwischenzeit Personal und Hilfsgüter zur Unterstützung der Notfallmaßnahmen in die Türkei entsandt.

IRC appelliert an die internationale Gemeinschaft, die Mittel für Syrien und die Türkei dringend aufzustocken. Es muss sichergestellt werden, dass alle Betroffenen die lebensrettende Hilfe erhalten, die sie brauchen – bevor es zu spät ist.

Wie reagiert IRC auf das Erdbeben?

Nach dem schweren Erdbeben arbeiten unsere Teams in Syrien unermüdlich daran, die Sicherheit und das Wohlergehen der betroffenen Menschen zu gewährleisten. Unsere mehr als 1.000 Mitarbeiter*innen im Land leisten lebensrettende Gesundheits- und Schutzdienste sowie weitere Soforthilfe für den Wiederaufbau.

Da der Bedarf an humanitärer Hilfe stark ansteigt, leiten wir eine integrierte Reaktion für die betroffene Bevölkerung in der Türkei und in Syrien ein. Dazu gehört die Bereitstellung von Soforthilfe in Form von Bargeld, grundlegenden Hilfsgütern wie Decken und Handtüchern sowie Hygieneartikeln wie Seife, Zahnbürsten und Hygieneartikeln für Frauen. Im Rahmen unserer Arbeit zur Unterstützung der grundlegenden Gesundheitsdienste in den betroffenen Gebieten wird IRC zwei mobile Gesundheitsteams einsetzen, die Überlebende behandeln und versorgen werden. Außerdem werden wir sichere Räume für betroffene Frauen und Kinder schaffen.

Erfahren Sie mehr über die Reaktion von IRC in Syrien.

Erdbeben Syrien Türkei - IRC Camp Syrien
IRC-Mitarbeiter*innen leisten Soforthilfe in Form von Bargeld für Menschen in einem Lager für Vertriebene im Norden Syriens, wo viele Menschen von dem Erdbeben betroffen sind.
Foto: Frontline in Focus/IRC

Wie kann ich helfen?

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