„Alles ist schwierig. Besonders für geflüchtete Kinder wie mich, die allein sind.”  

Als der 16-jährige Ali vor zwei Jahren in Griechenland ankam, wurde er bereits mehrfach verhaftet. Er hatte versucht, die europäischen Grenzen zu überqueren. 

Jetzt lebt Ali in einer Wohnung, die unbegleiteteten asylsuchenden Kindern und Jugendlichen von IRC zur Verfügung gestellt wird. Dort wohnt er mit anderen jungen Geflüchteten wie ihm zusammen, erhält die Betreuung, die er braucht, geht zur Schule und lernt Fähigkeiten, die ihm helfen, ein eigenverantwortliches Leben zu führen. Nun wartet Ali darauf, in Deutschland mit seinem Bruder wiedervereint zu werden. 

Alis Familie stammt ursprünglich aus Afghanistan, aber er wurde im Iran geboren. Das Leben dort war schwierig. Die strenge Politik, die gesetzlichen Einschränkungen und die bürokratischen Hürden im Iran haben die Menschenrechte der Geflüchteten aus Afghanistan in vielfacher Weise verletzt. Zwangsabschiebung, Verweigerung des Rechts auf Bildung, fehlende Beschäftigungsmöglichkeiten, Zwangsarbeit, fehlender Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen, Verweigerung des Rechts auf Freiheit, erzwungene Familientrennung und regelmäßige körperliche Misshandlungen in Internierungs- und Abschiebezentren gehören zum Schicksal vieler geflüchteten Afghan*innen. 

Weil Ali, wie die meisten Afghan*innen, die im Iran leben, keine Dokumente oder Ausweise hatte, konnte er nicht zur Schule gehen. So begann er zu arbeiten, als er gerade neun Jahre alt war. „Ich habe fünf Jahre lang 15-16 Stunden am Tag gearbeitet. Das war kein Spaß." 

Als Alis Vater starb, stand seine Familie vor dem Nichts. „Zwei oder drei Monate lang schliefen meine Mutter und ich in einem Park. Deshalb musste ich anfangen zu arbeiten." 

Im Iran hatten Ali und seine Familie nahezu keine Rechte. Ali war damit gezwungen, den Iran mit seiner älteren Schwesterzu verlassen. Trotz seines jungen Alters war er fest entschlossen, in Griechenland nach Sicherheit zu suchen. „Achtmal habe ich versucht, über den Fluss Evros nach Griechenland zu kommen. Jedes Mal fing mich die griechische Polizei ab und ich wurde zurück in die Türkei geschickt. Die türkische Polizei nahm mir dann all meine Kleidung, mein Telefon und mein Geld ab." 

„Meine Schwester hat eine Beinverletzung, also trug ich sie auf das Boot, um den Fluss zu überqueren. Das Boot sank, und wir mussten rüber schwimmen. Ich kann schwimmen, aber sie nicht, also habe ich sie an der Hand genommen und bin weiter geschwommen. Meine Schwester zog mich nach unten. Ich ging immer wieder unter und kam dann wieder an die Oberfläche. So ging es dann etwa eine Stunde lang, bis uns die türkische Polizei wieder anhielt und uns zurück in die Türkei schickte.” 

Bis Ali und seine Schwester es dann schließlich nach Griechenland schafften, vergingen vier Monate. Bei der Ankunft wurden beide getrennt. Während Ali in Fylakio, einem Aufnahmezentrum für neu angekommene Asylsuchende, bleiben musste, befanden sich seine Schwester, ihr Ehemann und ihre Kinder in einem anderen Lager. 

Ali verbrachte ein ganzes Jahr in Fylakio. Bis heute hat er mit Albträumen zu kämpfen. 

„Fünf oder sechs Polizeikräfte standen abends immer Wache. Abends gingen alle [Sozialarbeiter*innen] nach Hause und die Polizei war als einzige da. Sobald wir Kinder in unserer Siedlung Fußball spielten, kam die Polizei und schlug uns.”

Nach Fylakio wurde Ali in ein Hotel gebracht, das als vorübergehende Unterkunft für unbegleitete Kinder und Jugendliche auf der Flucht diente. In Athen wurde er schließlich in die von IRC betriebenen Unterkünfte verlegt. Diese sollen die unbegleiteten Kinder und Jugendlichen dabei unterstützen, eigenständig und eigenverantwortlich zu leben. Ali lebt nun seit Januar in einer Wohnung. „Alle sind nett hier”, erzählte uns Ali. „Egal, was ich brauche, sie helfen mir.” 

Schließlich erreichte ihn die gute Nachricht, dass er zu seinem Bruder nach Köln in Deutschland ziehen darf. „Ich bin so glücklich, ich könnte weinen!” 

Die negativen Erfahrungen mit der Polizei, die Ali während seiner Fluchtversuche machen musste, hatten dafür gesorgt, dass er Griechenland unbedingt verlassen wollte. „Hier kriege ich nur Albträume und ich habe Angst vor der Polizei. In Deutschland werde ich keine Angst haben. Mein Bruder wird bei mir sein. Er wird mir helfen.” 

„Meine Schwester ist seit zwei Jahren hier und ich habe sie bisher nur einmal sehen können. Ich wünsche mir, eines Tages meine gesamte Familie wieder zusammenzuhaben. Das wäre wirklich schön.“ 

Ali freut sich, in Deutschland wieder mit seinem Bruder vereint zu sein und blickt zuversichtlich in die Zukunft. „Ich wäre gerne Mechaniker, zum Beispiel Automechaniker oder Motorradmechaniker.”

Während er auf seine Ausreise wartet, geht Ali zur Schule und bessert sein Englisch auf. Gleichzeitig versucht er, zu lernen. Er nimmt an Outdoor-Aktivitäten teil, die von den Mitarbeiter*innen organisiert werden, und ist sehr interessiert an den sogenannten “Life-Skill-Sessions", die wichtige Fähigkeiten vermitteln. In seiner Freizeit geht er am liebsten mit seinen Freund*innen in Athen spazieren, denn mittlerweile weiß er ganz genau, wie man in der Stadt zurechtkommt. 

Das FUTURA-Projekt 

Das FUTURA-Projekt wird in Griechenland von IRC im Rahmen des “Asylum and Migration”-Programms durchgeführt. Vor dem Hintergrund des Euro Grant 2014 – 2021 wurde das Programm vom isländischen, liechtensteinischen und norwegischen Staat mit einem Gesamtbudget von 16,5 Millionen Euro gefördert. Das Programm richtet sich an besonders schutzbedürftige Asylsuchende, wie unbegleitete Kinder und Jugendliche. Ziel ist, die Kinder und Jugendlichen während des Asylprozesses zu unterstützen und zu betreuen und ihren Rechtsschutz zu garantieren. Fondsbetreiber des "Asylum and Migration"- Programms in Griechenland ist SOL Consulting S.A. in Partnerschaft mit Human Rights 360.  

Mehr Informationen: https://www.asylumandmigration-eeagrants.gr  

*Alle Namen wurden geändert, um die Identität der im Beitrag vorkommenden Person zu schützen.